News Ticker

Investitonsschutz-Abkommen – Faustrecht für Großkonzerne

Die Entstehung von Investitionsschutzabkommen.TTIP Logo Umweltinstitut

Es bestehen weltweit über 3000 internationale Investitionsschutzabkommen und auch Deutschland hat ca. 140 Investitionsabkommen abgeschlossen. Das heißt, Konzerne haben in einem parallelen Rechtssystem weitreichende Klagemöglichkeiten gegen Staaten.

Es gibt diese Verträge schon lange. Das erste Investitionsschutzabkommen schlossen Deutschland und Pakistan 1959. Es ging der Bundesregierung damals darum, deutsche Investoren vor Enteignung zu schützen, etwa durch einen korrupten Beamten. Das Land Pakistan gab ein Stück Macht ab, dafür wurde es interessanter für deutsche Unternehmen. Das war das Kalkül.

Deutschland hat also solche Verträge unterzeichnet, weil sie glaubten, davon zu profitieren!

Neue Geschäftsidee für internationale Wirtschaftskanzleien

Mitte der neunziger Jahre stieg nun die Zahl der Schiedsgerichtsverfahren sprunghaft an, auf mehrere Hundert Prozesse jährlich. Der Grund war einerseits, dass europäische und amerikanische Konzerne immer öfter den Sprung in aufstrebende Entwicklungsländer wagten und andererseits ein Artikel, der 1995 in dem vom ICSID (Internationales Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten – mit Sitz in Washington!) herausgegebenen Foreign Investment Law Journal erschien. Er half mit, unter Wirtschaftsanwälten eine lukrative Idee zu verbreiten: Die Investitionsschutzabkommen und Schiedsgerichte könnten Unternehmen womöglich nicht nur in Fällen von offensichtlicher Enteignung zu Schadensersatzzahlungen verhelfen. Man musste den Begriff der Enteignung nur weit genug auslegen. Dann könnte man öfter klagen.

In dem Artikel stand: „Entdecker sind aufgebrochen, unbekanntes Land für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit zu erschließen.“ Der Autor war ein Anwalt der weltweit tätigen britischen Kanzlei Freshfields. Ein riesiger Markt für Tausende Anwälte rund um die Welt entstand.

Die Lösung des Kostenproblems für teure Juristen

Die Schiedsanwälte sind extrem teuer. Sie verlangen einen Stundenlohn von 700 – 1000 $. Da es Monate dauern kann, die Klageschrift zu formulieren, kommen schnell mehrstellige Millionenbeträge zusammen. Das ist manchen Unternehmen zu viel. Die Lösung des Problems: Die Anwälte bieten heute an, ein Verfahren aus eigener Tasche zu finanzieren. Wird die Klage abgelehnt, hat der Pech gehabt. Gewinnt das Unternehmen, kassiert der Anwalt bis zu 80% der Entschädigungszahlung. Das führt derzeit zu einer Klageflut, weil es ein prima Geschäftsmodell darstellt.

Verheerende Folgen die Staaten weltweit, am Beispiel von NAFTA

Häufig reicht allein die Androhung einer Klage, um geplante Gesetze abzuwürgen oder zu verwässern. 5 Jahre nach Inkrafttreten des Freihandelsabkommens zwischen Mexiko, Kanada und den USA (NAFTA) beschrieb ein kanadischer Regierungsbeamter dessen Auswirkungen wie folgt:

„Bei beinahe jeder neuen umweltpolitischen Maßnahme gab es von den Kanzleien aus New York und Washington Briefe an die kanadische Regierung. Da ging es um chemische Reinigung, Medikamente, Pestizide, Patentrecht. Nahezu jede neue Initiative wurde ins Visier genommen , und die meisten haben nie das Licht der Welt erblickt.“

Tatsächlich nutzen Unternehmen internationales Investitionsrecht heute immer häufiger als Waffe in politischen Auseinandersetzungen, um strengere Regulierungen zu verhindern.

Länder wie Argentinien, Venezuela und Ecuador, die nach heftigen sozialen Kämpfen Privatisierungen zurückgenommen und Unternehmen verstaatlicht haben, gehören zu den Ländern, die am häufigsten vor Investitionsschiedsgerichte gezerrt werden.

Darüber hinaus haben viele Konzerne Niederlassungen in anderen Ländern und können so auch die eigene Regierung verklagen!!!

Die Annahme, dass TTIP angesichts der europäischen Schuldenkrise Chancen biete für Wirtschaftswachstum und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Europa ist ein Irrglaube. Warum?

Weltweit betreiben riesige Kanzleien Akquise, um Inverstoren zu Klagen gegen Staaten zu motivieren, z.B. gegen die Umschuldungspolitik in Griechenland. Ein Investitionsschutzkapitel im TTIP würde ihr Geschäftsmodell massiv ausweiten und solche Prozesse sind schon in vollem Gange:

Bericht aus den Nürnberger Nachrichten vom 10. März 2014 „Schuldenberg wächst“:

Investoren klagen

„….Ausländische Investoren gehen laut einem Spiegel-Bericht juristisch gegen die Euro-Krisenländer Spanien, Griechenland und Zypern vor. Fonds und Untenehmen verlangen demnach hohe Entschädigungen von den Regierungen dieser Länder unter Berufung auf den sogenannten Investitionsschutz. Er soll sicherstellen, dass Investoren durch spätere Gesetzesänderungen nicht benachteiligt werden. In den Krisenländern waren solche Änderungen häufig von Spar- und Reformmaßnahmen im Zuge der Eurokrise ausgelöst worden. Derzeit gehe es für Spanien und Zypern dabei um eine Summe von 1,7 Mrd. € für entgangene Gewinne der Klagen, schreibt das Magazin.“

Die Kölner Rechtsanwaltsgesellschaft Luther macht in ihrem Newsletter (Sommer 2011) ihre Kunden darauf aufmerksam, dass sich ein drohender Staatsbankrott in Geld verwandeln lasse. Europas Regierungen diskutierten damals ein Umschuldungsprogramm als letzte Rettung für das ruinierte Griechenland. Ausländische Banken und Versicherungen, die griechische Staatsanleihen besitzen, sollten demnach auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten, um den Griechen etwas mehr finanziellen Spielraum zu geben.

Diese Klagen treiben auf lange Sicht jeden Staat in die Pleite! Von den zigtausend Niederlassungen europäischer Konzerne in den USA und denen ihrer US-Pendants in der EU ganz zu schweigen.

Das Risiko, von der prozesshungrigen US-Rechtsbranche mit Klagen überzogen zu werden, z.B. für Maßnahmen zur Bekämpfung der Schuldenkrise in Europa ist riesig!

Weitere Beispiele von Investor-Staat-Klagen:

  1. Vattenfall verklagt Deutschland nach dem Atomausstieg auf ca. 4 Mrd.€ Schadensersatz.
    Auch die deutschen Energiekonzerne RWE und E.on haben wegen des Atomausstiegs eine Klage eingereicht.
  2. Philip Morris verklagt Australien wegen diskriminierenden und Warnhinweisen auf der Zigarettenpackung.
  3. Der kanadische! Öl- und Gaskonzern Lone Pine verklagt seine eigene Regierung! auf Schadensersatz über 250 Millionen $, weil die Provinz Quebec ein Moratorium für Fracking erlassen hat. Er tut das über seine amerikanische Niederlassung!!!
  4. Die Deutsche Bank erstritt 60 Millionen Dollar von Sri Lanka. Seitdem urteilt das Schiedsgericht häufiger bei Streitigkeiten über Finanzgeschäfte.
  5. Heute klagt der chinesische Lebensversicherer PingAn gegen Belgien auf Zahlung von 1,8 Mrd. €. Die belgische Regierung hatte während der Finanzkrise eine Bank mit Steuermillionen vor der Pleite gerettet und verstaatlicht. PingAn war an der Bank beteiligt.
  6. Der Ölkonzern Chevron greift über eine Investor-Staats-Klage ein ecuadorianisches Gerichtsverfahren an, in dem er wegen massiver Umweltzerstörung im Amazonas-Gebiet zu Schadensersatz-Zahlungen verpflichtet wurde.
  7. Vattenfall verklagte Deutschland auf 1,4 Mrd. €, weil Hamburg den Betrieb des Kohlekraftwerks nur unter harten Auflagen hinsichtlich der Kühlung durch das empfindliche Ökosystem der Elbe genehmigte. Es endete mit einem Vergleich. Vattenfall verzichtete auf seine Schadensersatzforderungen. Dafür lockerte die Umweltbehörde die Auflagen.
  8. Die Deutsche Bank war mit einer staatlichen Firma aus Sri Lanka ein komplexes Finanzgeschäft eingegangen, es ging um Ölpreise. Als die Firma ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkam, verklagte die Bank die Regierung von Sri Lanka. Das Schiedsgericht sprach ihr 60 Millionen $ zu.
  9. Der amerikanische Ölmulti Oxy klagt gegen Ecuador. Die Regierung des Landes hatte Oxy bereits erteilte Bohrgenehmigungen gestrichen – das Unternehmen hatte die Linzenzen vertragswidrig weiterverkauft. Wegen des Verstoßes gegen die „faire und gleiche Behandlung“ ausländischer Firmen sprach das Gericht dem Konzern 1,77 Milliarden $ zu. Das bis heute teuerste Urteil eines Schiedsgerichts.
  10. Um die Folgen der Apartheid zu überwinden, hatte die Regierung Südafrikas verfügt, dass beispielsweise Minenkonzerne einen Teil ihrer Aktien an schwarze Investoren verkaufen mussten. Italienische und luxemburgische Unternehmen verklagten das Land. Das Ergebnis: Südafrika musste keinen Schadensersatz zahlen, aber das Gesetz entschärfen.
    Die Frage ist, was sich ein Land noch erlauben kann, ohne verklagt zu werden?

Bis Ende 2012 gab es mindestens 514 solcher Investor-Staat-Klagen. Die Dunkelziffer dürfte höher liegen, und die Tendenz ist steigend.

Die Verfahren laufen vor internationalen Schiedsgerichten, die in der Regel aus drei von den Streitparteien benannten Privatpersonen bestehen. Meist finden sie hinter verschlossenen Türen statt, in einem Hotelzimmer in London, Paris oder Washington. Die Schiedssprüche sind bindend, eine Revision ist nicht möglich – und das, obwohl es aufgrund von Interessenkonflikten weit verbreitete Zweifel an der Unabhängigkeit der Schiedsrichter gibt.

Die Gefahren für öffentliche Haushalte und demokratische Politik sind immens!

Zusammenfassung – Warum der Investitionsschutz zwischen EU und den USA nicht kommen darf:

  1. Bereits heute werden Staaten mit Klagen überzogen. Deutschland kann sich nicht unendliche viele Klagen leisten.
  2. Anwaltskanzleien wittern bereits heute ein riesiges Geschäftsmodell. Gerade die prozesshungrige US-Rechtsbranche könnte die EU mit Klagen überziehen.
  3. Auch inländische Konzerne könnten den eigenen Staat über Niederlassungen im Ausland verklagen.
  4. Deutschland könnte keine Gesetze mehr erlassen, etwa im Sinne es Umwelt- und Verbraucherschutzes, sondern müsste sich im vorauseilenden Gehorsam stets überlegen, ob das eine Klage nach sich ziehen würde. Die Politiker würden sich sozusagen selbst entmachten.
  5. Die USA könnten auf diesem Weg die europäische Schuldenkrise dazu nutzen, die EU noch weiter in den wirtschaftlichen Ruin zu treiben.
  6. Es geht nicht mehr um den Schutz vor Enteignung, sondern der eigentliche Gedanke des Investitionsschutzes wird missbraucht.
  7. Der Investitionsschutz macht Konzerne mächtiger als Staaten.

Was stattdessen?

  1. Sowohl die USA wie auch die EU haben ein funktionierendes Rechtssystem, das es in Anspruch zu nehmen gilt und das, wie ursprünglich vorgesehen, nur den Fall der unrechtmäßigen Enteignung berücksichtigen darf.
  2. Es geht darum, angesichts der aufstrebenden Macht der Schwellenländer, politisch wie ökonomisch die Machtstellung zu erhalten. Dies geht nur über hohe Standards und Qualität aus Deutschland. Kein Wettlauf um die billigsten Produkte, denn dieser Kampf ist gegen undemokratische Staaten wie etwa China nicht zu gewinnen.
  3. Ernährungs- und Energiesouveränität, unter Einhaltung von Umweltgesichtspunkten, ist anzustreben, denn das schafft Frieden im Volk.
(Angesehen 144 mal, 1 Besuche heute)

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*