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Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TiSA

Letzter Akt im Stück „Raubtierkapitalismus“

Mit den Kürzeln  TTIP, CETA und TiSA haben, wie die Sendung „Berlin direkt“ am 18.01.2015 offenbarte, nicht nur Bundestagsabgeordnete, sondern auch  Landwirtschaftsminister Christian Schmidt Schwierigkeiten.  

Diese Kürzel stehen für die geplanten  sogenannten „Freihandelsabkommen“ zwischen der EU, den USA, Kanada und vielen anderen Staaten.  Nach wie vor können auch viele Bürger mit diesen Kürzeln wenig  anfangen. Erst vor kurzem wurden die seit 2007 im Geheimen verhandelten 1.600 Seiten für das Freihandelsabkommen CETA (zwischen EU und Kanada) ins Internet gestellt.

Die Geheimhaltung bei den Verhandlungen ist gezielte Strategie der Europäischen Kommission (EU).  Von der Geheimhaltung sind die Vertreter der Großkonzerne aber nicht betroffen: Sie sitzen nämlich mit am Verhandlungstisch.  Karel de Gucht, bis November 2014 Europa braucht kein TTIP 1Verhandlungsführer für TTIP,  sagte in der Sendung Monitor 30.01.2014: Man muss das Abkommen nur besser verkaufen – man solle nicht über die Sorgen der Verbraucher sprechen,  sondern nur über das Ziel, Wachstum und Arbeitsplätze zu schaffen.

Dabei zeigt bereits das Freihandelsabkommen NAFTA (USA-Kanada-Mexiko), dass genau diese Ziele nicht eingetreten sind, sondern ein massiver Stellenabbau –  in den USA und Kanada und auch in Mexiko.

Prognostiziert werden vom Institut für Wirtschaftsforschung (ifo-Institut) folgende Wachstumszahlen:

0,5 % – innerhalb von 10 Jahren, also 0,05 % pro Jahr. Laut Bertelsmann-Studie sollen bis zu 160.000 Arbeitsplätze allein in Deutschland entstehen und ab 2027, also nach 10(!) Jahren soll es mehr Kaufkraft pro Kopf der Bevölkerung geben:   545 Euro pro EU-Bürger durchschnittlich  ab 2027 (nach 10 Jahren).

Dass diese Wachstumszahlen nur dann eintreten können, wenn die sogenannten „Standards“ abgesenkt werden, wird natürlich nicht erwähnt. Arbeitnehmerrechte, Verbraucher-, Umwelt- und Datenschutz müssen zugunsten von Wachstumsraten abgebaut werden. Und es ist noch nicht klar, ob von den vorhergesagten 545 Euro der einzelne EU-Bürger profitiert oder eher die Gruppe der Kapitalhalter.  Warum sollte allein durch die Zusammenlegung von verschiedenen Wirtschaftsräumen Wachstum entstehen?

Hinter dem Rücken der Bevölkerung wird eine neue Weltwirtschaftsordnung verhandelt, bei der hauptsächlich nur Großkonzerne das Sagen haben  wie  z.B.

  •               Automobil-Industrie z.B. BMW, Mercedes
  •               Chemische Industrie   B. Monsanto, BASF, Bayer, Syngenta
  •               Pharmazeutische Industrie  B. Bayer, BASF, Pfizer
  •               Nahrungsmittelindustrie z.B. Nestlé, Krafts,
  •               Energie-Industrie z.B. Vattenfall, Lone Pine
  •               Finanzindustrie z.B. Großbanken
  •               Rüstungsindustrie – Medizintechnik z.B. Lockheed Martin
  •               Schiedsgerichtsindustrie – Anwaltskanzleien wie z.B. Sidley Austin u.a.

Und es geht um mehr als das Chlorhühnchen. Und es geht um viel mehr als Absenkung der Zölle und einheitliche Autoblinker. Es geht um die Übernahme der Regierung durch die Großkonzerne, wie es bereits in den USA der Fall ist.

Prof. Günther Moewes brachte es bereits in „Geld oder Leben“ 2004 auf den Punkt: „Mit Bush und Berlusconi ist noch ein weitergehendes Stadium erreicht. Die Unternehmen wirken nicht mehr von außen auf die Regierungen ein. Sie stellen die Regierungen gleich selber…

Mit Berlusconi übernimmt die Plutokratie (Reichstumsherrschaft) nicht mehr nur das Medienmonopol, sondern gleich die ganze Regierung. Sozusagen Kohl und Kirch oder Blair und Murdoch in Personalunion.“

Und genau das steht uns jetzt  bei den geplanten Freihandelsabkommen bevor. Das ist womöglich der letzte Akt in dem Stück „Raubtierkapitalismus“.  Wie in den USA steht auch in Europa  die Verschmelzung von Regierung und Konzernen bevor.

Und es geht überhaupt nicht darum, das Beste aus beiden Systemen zur Pflicht zu machen, sondern es geht um die Akzeptanz des geringsten gemeinsamen Nenners (Der Spiegel 35/2014).

Wenn es in einem Bereich einen höheren Standard gibt, so wird dieser Standard als „Handelshemmnis“ erklärt. Mit  „Handelshemmnis“ werden dann Chlorhühnchen, ungekennzeichnete gentechnisch veränderte Nahrungsmittel, Hormon- und Klonfleisch freigepresst.  Der Preiskampf um die billigsten Nahrungsmittel mit dem einhergehenden Qualitätsverlust wird Tür und Tor geöffnet. Die bäuerliche Landwirtschaft „original und regional“ kann einpacken.

Das in der Europäischen Union mühsam erkämpfte „Vorsorgeprinzip“ wird demnach dem US-amerikanischen „Nachweisprinzip“ weichen müssen.  Die Pharmaindustrie in Europa wird nicht mehr nachweisen müssen, ob ihr neues Medikament schädliche Nebenwirkungen hat, sondern der Patient muss nachweisen, ob seine Schädigung vom Medikament herrührt.

In der EU ist die Verwendung von Asbest verboten. In den USA sind nur Schulen von Asbest ausgenommen. Die EU hat seit  1. Juni 2007  Chemikalienverordnung REACH. Ein Dorn im Auge der chemischen Industrie. Mit TTIP und CETA besteht jetzt die große Chance, REACH wieder aufzuweichen. Mit dem Begriff „Harmonisierung“ sollen unterschiedliche Gefährdungsaspekte angeglichen werden. Während die EU über 1.300 Stoffe in Körperpflegeprodukten verbietet, sind es in den USA lediglich 11.

Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA

Ein ganzes Sortiment von „Folterwerkzeugen“ steht den Großkonzernen zur Verfügung, um ihre Interessen durchzusetzen. Zum Beispiel das Investitionsschutzabkommen, Teil von TTIP und CETA.

Zunächst bedeutete Investitonsschutz für Unternehmen, die im Ausland investierten, der Schutz vor Enteignung.  Aus den Veröffentlichungen der Weltbank wurde folgendes bekannt:  In einem Artikel des Foreign Investment Law Journal wurde für die Idee geworben, dass man den Begriff „Enteignung“ auch weiter auslegen könnte. Es sollte nicht mehr nur um physische Enteignung gehen, sondern auch um Investitionshemmnisse und möglicherweise entgangenen Profit. (Deutschlandfunk, Sendung 9.12.2014 – TTIP – Transatlantischer Traum oder der Ausverkauf der Demokratie?“) Inzwischen wird es  den Konzernen ermöglicht, Staaten zu verklagen.  Nur nicht umgekehrt. Bereits über 500 solcher Investitionsschutzklagen sind bekannt.

Interessant ist, dass zwar auch die USA von Konzernen verklagt,  aber bisher noch nicht zu Schadensersatzleistungen verurteilt wurden.

  • Da verklagt z.B. der schwedische Energieriese Vattenfall die Bundesrepublik Deutschland wegen des Atomausstiegs auf ca. 4,7 Mrd. Euro Schadensersatz.
  • Der chinesische Lebensversicherer PingAn klagt, weil Belgien eine Bank mit Steuermillionen vor der Pleite gerettet und verstaatlicht hat – auf 1,8 Mrd.€   PingAn war an der Bank beteiligt.
  • Europäische Krisenländer werden inzwischen deswegen verklagt, weil sie im Zuge der ihnen auferlegten Spar- und Reformvorgaben Gewinnerwartungen verschiedener Unternehmen nicht erfüllen können.
  • Profiteure dieser Investitionsschutzklagen sind weltweit operierende Anwaltskanzleien. Sie fordern Konzerne regelrecht auf zu klagen – sogar auf eigene Kosten. Gewinnen sie, streichen sie 80 % des Schadensersatzes ein, die 20 % sind dann für die Konzerne.  Es geht aber noch besser:  Die Umwandlung von Schadensersatzklagen in   Privatleute können Aktien erwerben und auf erfolgreiche Klagen spekulieren
  • Um Investitionsschutzklagen durchzusetzen wird auf ein paralleles Rechtssystem zurückgegriffen. Es entstanden Schiedsgerichte, die sich aus drei Anwälten zusammensetzen und Entscheidungen treffen. Diese Anwälte wechseln je nach Fall und schlüpfen in unterschiedliche Rollen: Mal sind sie Ankläger, mal Verteidiger. Und alles unter Ausschluss der Öffentlichkeit und im Geheimen. Die Schiedsgerichtsanwälte kassieren hohe Honorare – 1.000 US-Dollar pro Stunde sind üblich. Über die Urteile von Verfassungsgerichten setzen sie sich hinweg. „Diesen Richtern fehlt jegliche richterliche Unabhängigkeit, meint der Verfassungsrechtler Prof. Albrecht Schachtschneider. Und er meint weiter:  „Vor allem können aber die Staaten ihren Bürgern gegenüber nicht hinnehmen, dass ihr Rechtssystem von Anwaltsgremien überlagert, sprich unterminiert wird.   Was die Öffentlichkeit scheut, ist des Rechts nicht fähig (Immanuel Kant).“

Mit im Gepäck sind bei den geplanten Freihandelsabkommen brandgefährliche Klauseln.  Sie befinden sich im sogenannten „Kleingedruckten“.  Immer wieder ist festzustellen, dass davon unsere Politiker noch nie etwas gehört haben. Da gibt es die

–  Ratchet-Klausel  (Sperrklinkenklausel).    Sie besagt, dass wenn ein staatliches Unternehmen (wie etwa die Stadtwerke) erst einmal privatisiert wurde, es nicht mehr erlaubt ist, dieses Unternehmen jemals wieder zu rekommunalisieren.

Stillstandsklausel   Sie besagt, dass der gegenwärtige Stand der Regulierung beibehalten werden muss und nicht angehoben werden darf.

Also dürfen auch Umweltstandards nicht schärfer gefasst werden als bisher. Wenn ein Staat seine Umweltauflagen absenkt, dann ist das der neue Stand, der jetzt eingefroren wird. Es darf nicht wieder auf den alten Stand zurückreguliert werden.

Problematisch ist außerdem der Negativ-Listen-Ansatz:

Das bedeutet, dass für alle Bereiche (wie z.B. der Dienstleistungsbereich), die nicht explizit aufgelistet sind, Liberalisierungsverpflichtungen eingegangen werden. Dieser Ansatz führt dazu, dass gewünschte Ausnahmen von Liberalisierungsverpflichtungen in hunderte Seiten langen, kaum zu durchschauenden Anhängen aufgelistet werden. Eine Überprüfung, ob wichtige, schützenswerte Bereiche auf den Ausnahmelisten vergessen wurden, ist schwer möglich. (DGB-Positonspapier vom 2.12.2014)

Living Agreement“  („lebendes Abkommen“) – ist die Zauberformel, um Parlamente zu entmachten.  Alles, was bisher an Schutzvorschriften nicht gekippt werden konnte, soll nun  einem „Regulierungsrat“ anheimfallen. Wenn von Seiten der Politik im Moment noch behauptet wird, es wird keine Absenkung der Standards geben, ist das nur als Beruhigungspille für die Bevölkerung anzusehen.  Mit dem „Living-Agreement“ bekommen Konzerne die Macht, schleichend für „Harmonisierung“ zu sorgen.  Konzerne bekommen also Mitspracherecht bei Gesetzgebungsverfahren – am Parlament vorbei und ohne demokratische Kontrolle.

Freihandelsabkommen sind völkerrechtlich verbindlich. Sie stehen über der staatlichen Gesetzgebung und dem EU-Recht.  Inzwischen ist von einer 6-monatigen Kündigungsfrist die Rede. Ungeklärt ist noch, ob dies zu einem tatsächlichen Ausstieg führen wird.

Blankoscheck für Internationale Finanzmärkte!

Die USA hatten nach der Finanzkrise 2008 strengere Finanzmarkt-Regulierungen als die Europäer. Viele fragwürdige Finanzprodukte durften dort von Europäischen Banken und Versicherungen nicht mehr vertrieben werden. Dieser Markt soll nun wieder geöffnet werden, dafür treten die Europäischen TTIP-Verhandler ein.  Wie ein kürzlich „geleaktes“ TTIP-Dokument belegt, soll jetzt ein neues transatlantisches Gremium geschaffen werden, „das Forum“ genannt.

Dieses „Forum“ soll die Regulierungen aushandeln und verbindlich machen. Wer in diesem Forum Platz nimmt, kann sich jeder denken!

Auch hier wieder sollen Parlamente Gesetze nur noch so erlassen, dass sie mit den Beschlüssen dieses „Forums“ übereinstimmen. Andernfalls kann der Staat verklagt werden. Einmal im Jahr soll es ein Treffen auf Regierungsebene geben – die Parlamente sind nicht eingebunden. Besonders hinterhältig ist, dass die TTIP-Verhandler dieses  „Forum“ erst einmal nur „schaffen“ sollen, die Regulierungen sollen dann erst 1 Jahr nach Inkrafttreten des Abkommens erarbeitet werden. Das kommt einem Blankoscheck für die internationalen Finanzmärkte gleich!

 

Welche Bereiche werden durch die Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TiSA betroffen sein?

  •               Landwirtschaft und Ernährung
  •               Preiskampf um die billigsten Nahrungsmittel
  •               Vorsorgeprinzip steht auf dem Spiel
  •               Energiewende ist gefährdet / Fracking
  •               Liberalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens und der Dienstleistungen
  •               Abbau von Arbeits- und Sozialrechten
  •               US-Patentrecht wird auch in der EU verbindlich
  •               Kommerzialisierung von Medien, Kultur und Bildung
  •               Entwicklungsländer geraten noch mehr unter Druck

Was tun, angesichts dieser auf uns zurollenden Konzerndiktatur? Jeder Schritt  – auch sei er noch so klein – ist notwendig.  Informieren wir unsere kommunalen Vertreter z.B. mit der Broschüre von campact: TTIP vor Ort, werden wir bei unseren Bundestagsabgeordneten (am besten mit Unterstützung von Freunden/Nachbarn) vorstellig.

Jeder hat in seiner Nähe einen EU-Parlamentarier sitzen, der angesprochen werden kann. Leserbriefe schreiben haben den Vorteil, dass dann die Zeitung dafür sorgt, dass etwas an die Öffentlichkeit kommt. Websiten der Bundestagsabgeordneten und Europaparlamentarier kann man absuchen, um zu „bloggen“.

Unterstützen wir auch die selbstorganisierte europäische Bürgerinitiative (EBI) beim BUND, Umweltinstitut München und auch bei Campact.

Nutzen wir die Vernetzungsmöglichkeiten durch das Internet.

Wir, die Bürger stehen jetzt vor der größten Herausforderung, die wir je hatten. Überlasssen wir nicht den Konzernen das Regieren!


Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA


(Angesehen 262 mal, 1 Besuche heute)

2 Kommentare zu Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TiSA

  1. wie kann mensch nur einem system zustimmen, das seit jahren, nein leider schon seit jahrzehnten, jahrhunderten (s.behandlung von frauen, sklaven u.a.) nichts als krieg, gewalt, folter, krisen u.ä. schafft. der menschliche und technische fortschritt ist jedenfalls nicht dem kapitalismus zu verdanken, sondern der menschlichen neugier, kreativität, forschungslust. wie weit wären wir, wenn wir gemeinsam, zusammen, in frieden und gegenseitigem respekt leben und arbeiten würden. aber leider scheint die dummheit und bequemlichkeit nicht und nicht auszusterben – so eine menschheit hat keine überlebenschance.

    • Marie-Luise Volk // 27. Juli 2015 um 15:58 // Antworten

      Nicht verzweifeln, liebe Yutica, wir müssen mit unserer Aufklärungsarbeit einfach weiter machen. Immerhin steht es fifthy-fifthy…
      Viele Grüße
      Marie-Luise

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