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Da ist schon was gebacken: Handwerksbäcker gegen ALDI

Haustürschild Zentralverband des Deutschen BäckerhandwerksWer bäckt denn nun? Die sogenannten „Handwerksbäcker“ oder auch ALDI Süd GmbH & Co. in der jeweiligen „Backstation“? Um das herauszufinden, wurde das Landgericht Duisburg bemüht. Zunächst sah es so aus, als ob es zum großen Showdown zwischen den beiden Streithähnen käme. Reichlich bizarr mutete die juristische Auseinandersetzung (Verfahren 22 O 77/10) zwischen ALDI und dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e.V. an. Dieser wollte, dass ALDI nicht mehr sagen darf, dass bei ALDI gebacken wird. Denn backen tun nur die „Handwerksbäcker“...

Unbestritten ist, dass ALDI halbgebackene Teiglinge bezieht, die dann in der Filiale in der Backstation fertiggebacken werden. Auf Knopfdruck des Kunden fällt dann das Brötchen frisch gebacken in das Ausgabefach.

Doch in einem lichten Moment schien es dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e.V. zu dämmern, dass diese11781087106_b9a4272068_z Auseinandersetzung nicht zu gewinnen war. Da ging es dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e.V. ähnlich wie dem Fuchs in der Fabel „Der Fuchs und die Trauben“. „Die Trauben sind mir zu sauer“, meinte der Fuchs, als er sich eingestehen musste, dass für ihn die süßen Trauben unerreichbar waren.

Deswegen wurde diese juristische Auseinandersetzung einvernehmlich beendet. Einvernehmlich vielleicht auch deshalb, weil die Gefahr bestand, dass die Diskussion um Brot und Brötchen aus dem Ruder laufen könnte. Denn es geht nicht nur um Berufsehre, sondern um die Qualität der Backwaren. Und da gibt es genug Anlass, Kritik zu äußern.

Brot als Grundnahrungsmittel

Längsschnitt durch ein WeizenkornBrot zu verzehren, gehört offensichtlich noch zu unseren Grundbedürfnissen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Unsere Altvorderen wussten noch, auf was es ankommt: Sie buken ihr Brot daheim oder im dörflichen Backes. In den Städten entstanden die Bäckereien, die Hand in Hand mit den Müllern zusammenarbeiteten.

Industrialisierungsschritte

Durch die Industrialisierung im 19. Jahrhundert gab es eine tiefgreifende Veränderung. Es entstand eine Technik, die in der Lage war, Auszugsmehl herzustellen. Seit ca. 1876 war es möglich, industriell Mehl herzustellen. Randschichten und Keim des Getreidekornes wurden entfernt, Randschichten des Korns (Kleie) und Keim (Öl) konnten weitervermarktet werden. Das Auszugsmehl hatte obendrein den Vorteil, nicht mehr zu verderben. Eine Vorratshaltung wurde ermöglicht.

Ergebnis Fütterungsversuche: Biologischer Rückschritt

Spätestens seit den Fütterungsversuchen von Prof. Kollath mit Auszugsmehl an Ratten stellte sich heraus, dass mit Auszugsmehl gefütterte Ratten nach wenigen Wochen versterben. Sie sterben deshalb, weil mit der Entfernung der Randschichten und des Keims die Lebensstoffe (Vitalstoffe) entfernt werden, die zur Erhaltung des Lebens und Gesundheit unabdingbar sind. Der technische Fortschritt hat sich als biologischer Rückschritt herausgestellt. Dass wir Menschen durch den Verzehr von Produkten aus Auszugsmehl nicht gleich mit dem Tode bedroht sind, liegt daran, dass wir außer Brot noch andere Dinge verzehren. Dennoch stehen Krankheiten wie Diabetes (Zuckerkrankheit), Herzinfarkt, Übergewicht usw. in einem engen Zusammenhang mit dem Verzehr von Produkten mit Auszugsmehl.

Wirtschaftliche Gründe verhindern Aufklärung

Das Manko der fehlenden Vitalstoffe ist evident. Wird aber aus wirtschaftlichen Gründen nicht publiziert. Wirtschaftliche Kreise versuchen jedoch, die wissenschaftlichen Ergebnisse durch Unterdrückung, Ablenkungsmanöver und Vertuschung zu umgehen. Es darf beim Kunden nicht der leiseste Verdacht entstehen, dass es sich beim heutigen Brot um minderwertige und gesundheitsschädliche Ware handelt. Dies ist bei allen Broten so, die aus Auszugsmehl hergestellt wurden. Selbst Bio-Ware, die aus Auszugsmehl hergestellt wurde, macht hier keine Ausnahme. Denn was nutzt es, wenn das Getreide aus ökologischem Anbau stammt, wenn anschließend die Vitalstoffe entfernt werden?

Zusatzstoffe und Hilfsstoffe – wo bleibt die Berufsehre?

Die Bäckerzunft kann heute in der Regel nicht mehr ohne Zusatzstoffe bzw. Technische Hilfsstoffe backen. Enzyme, Emulgatoren, Säuerungsmittel und Konservierungsstoffe werden zur „Teigführung“ eingesetzt. Krume, Kruste Aussehen, Geschmack – es gibt nichts, was sich nicht chemisch beeinflussen lässt. Calciumsulfat, d.h. Gips, darf für Maschinengängigkeit eingesetzt werden. Das geht schneller, das spart Zeit. Und Zeit ist Geld.

Versierte Eigenbrötler haben inzwischen ein höheres Know-How wie man Brot und Brötchen ohne technologische Hilfsstoffe backt. Inzwischen gibt es eine Fülle von Büchern und Rezepten, die ein Gelingen vom eigenen Brot sicherstellen. Der eigenen Gesundheit zuliebe ist dieser Aufwand mehr als gerechtfertigt.

Texttafel Vollkorndefinition

Helfershelfer in der Not: Lobbyisten prämieren mit dem DLG-Gütezeichen

Raffinierte Werbung für von Lebensmitteltechnologen kreierte Backmischungen ist jetzt angesagt. Der Konsument muss bei der Stange gehalten werden. Für das Gipsbrot muss jetzt ein Gütesiegel her. Dafür stehen die Lobbyisten der Agrar- und Ernährungsindustrie, die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) zur Verfügung. Mit Bronze-, Silber- und Gold-Medaillen wird die Verdummung der Verbraucher bei öffentlicher Verleihung unter Beteiligung der Medien gekrönt.

Unser tägliches Brot – ein künstliches Produkt

Bäcker hatten in früheren Zeiten eine herausragende Stellung bei den Berufsgruppen. Wenn jemand einem Bäcker etwas zuleide tat, dann 7234879900_87cf17d6ee_zgab es dafür das doppelte Maß an Strafe.

Im Mittelalter wurden Bäcker der sogenannten „Bäckertaufe“ (eine Art von waterboarding) unterzogen, wenn ihnen Betrug nachgewiesen werden konnte. Der Bäcker durfte das Vertrauen der Kunden nicht enttäuschen. Das Strafmaß hat sich glücklicherweise geändert, der Straftatbestand wurde aber nicht angepasst.

Das Wissen um Mehl und Brot ist auf ein erstaunlich niedriges Niveau herabgesunken. Nicht nur bei Otto Normalverbraucher. Auch bei den sogenannten „Handwerksbäckern“ fehlt es an fundiertem Wissen. Z.B. Mehltype.

Was heißt Mehltype?

Die Typenzahl auf der Mehltüte gibt an, wie hoch der Mineralstoffgehalt des Mehls ist. „Type 405“ bedeutet zum Beispiel, dass in 100 Gramm Mehl nur noch 405 Milligramm Mineralstoffe enthalten sind. Die höchste Typenzahl des im Handel befindlichen Mehls ist bei Weizen 1700 und bei Roggen 1800. Selbstgemahlenes Mehl enthält ca. 2000 Milligramm Mineralstoffe.

Es ist also unerheblich, ob das Brot hell oder dunkel ist, entscheidend ist die Mehltype. Brot und Brötchen aus Auszugsmehl fehlt es an typischem Brotgeschmack. Dieser muss nun der Teigmasse durch Zusatzstoffe wieder zugefügt werden. Lebensmitteltechnologen haben dadurch ihre Daseinsberechtigung. Echte Vollkornbrote und –brötchen benötigen derartige Täuschungsmittel nicht.

Werbung & Verbrauchertäuschung

Als reines Ablenkungsmanöver kann die Namensgebung unseres Brotes entlarvt werden. Da ist von „Raubritterbrot“, „Rustikales“, „Bauernbrot“, „Landbrot“ etc. die Rede. Alles vorgegebene Namen der Backmittelhersteller. Schön griffig anzuhören für den Ahnungslosen. Auch der Bezug zur „Heimat“, zur „Ähre“ wird in der letzten Zeit bemüht, um vom Qualitätsdefizit abzulenken.

Tröstliches Buchcover Korngesund

Es gibt sie aber noch, die echten Bäcker. Geht man in ihre Backstube, findet man eine Getreidemühle vor. Sie verstehen etwas von Getreide, Backeigenschaften, echten Sauerteigen und vom Backen. Bei denen ist wirklich etwas gebacken…

Mit freundlichen Grüßen

Marie-Luise Volk, Sprecherin der Bürgerinitiative „Bürger/innen sagen NEIN zur Agro-Genechnik“ im Landkreis Cochem-Zell

Quellenangaben:

1.Foto Haustürschild Zentralverband des Deutschen Bäckerverbandes, Berlin, privat Marie-Luise Volk

2.Foto Weinstock mit Rebe, Quelle: Flickr, Greogor Kobelkoff, Verbreitung unter Namensnennung, nicht kommerziell, Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0)

3.Grafik Längsschnitt durch ein Weizenkorn, mit freundlicher Überlassung von Heinrich Metzdorf, Welschbillig,

4.Texttafel Vollkorndefinition by Marie-Luise Volk

5.Bäckertaufe, Quelle: Flickr, janwillemsen,Verbreitung unter Namensnennung, Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 (CC BY-NC-SA 2.0)

6.Buchcover „Korngesund“, Waltraud Becker, emu-Verlag, 17,80 €   brot-backen-gutjahr-richter

7.Buchcover „Brot backen“, Ilse Gutjahr/Erika Richter, emu-Verlag, 17,80 €

Weitere Hinweise:

Der Spiegel 01-2016 „Brot gegen Brot“

Südwestrundfunk SWR 2 Wissen „Fade Brötchen, teures Bio-Brot – Backwaren zwischen Tiefkühlindustrie und traditionellem Handwerk“, 13. April 2011

 

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2 Kommentare zu Da ist schon was gebacken: Handwerksbäcker gegen ALDI

  1. Fraundorfer Karin // 3. Februar 2016 um 20:03 // Antworten

    Liebe Marie-Luise, Deine „Briefe/Informationen sind wirklich toll – einmalig; mach weiter so. Darf ich Deine Infos auch an andere weiergeben? Z.B. habe ich Freunde bei den Grünen und bei meinen Paddel-Bekanntschaften

    • Liebe Karin,
      herzlichen Dank für Deinen Zuspruch. Ich freue mich sehr, wenn ich Rückkoppelung erfahre.
      Selbstverständlich dürfen meine Infos weitergegeben werden – das ist sogar meine Absicht, dass wir Aufklärung „von unten“ betreiben, weil „von oben“ es nicht mehr so funktioniert, wie es sein soll.

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